Ernst Ulrich Tillmanns studierte Architektur an der FH Frankfurt. Nach seiner Tätigkeit bei Behnisch & Partner Stuttgart gründete er 1990 mit drei Partnern das Büro 4a Architekten in Stuttgart, das er heute gemeinsam mit Matthias Burkart und Andreas Ditschuneit als geschäftsführender Gesellschafter leitet. Tillmanns ist Mitglied der IAB Internationale Akademie für Bäder-, Sportund Freizeitbauten e.V. und der IAKS Internationale Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen e.V., 4a Architekten ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB e.V.
1. Energiesparendes Bauen ist in aller Munde – fokussiert sich häufig aber einseitig auf das Heizen und Dämmen. Für die Nachhaltigkeit eines Gebäudes ist jedoch neben der Energiebilanz der einzelnen Baustoffes bedeutsam, wie langlebig das jeweilige Material ist und welchen Renovierungs- bzw. Erhaltungsaufwand es erfordert. Gerade im Objektbau spielt dabei der Bodenbelag eine große Rolle. Sehen Sie hier aktuell eine Entwicklung hin zur „nachhaltigeren“ Bodengestaltung?
Ich teile Ihre Meinung, dass die Diskussion um nachhaltiges Bauen oftmals auf das Thema Energieeffizienz verkürzt wird, denn die nachhaltige Qualität eines Gebäudes wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Das fängt bei der integralen Planung an und geht hin bis zur Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – und auch hinter jeder gestalterischen Entscheidung steht ein Thema, das die ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit berührt. Betrachten wir die nur einmal ein Gebäude unter dem Blickwinkel der Reinigungsfreundlichkeit. Die Reinigungskosten sind z.B. bei vielen Bädern vergleichbar hoch wie die Energiekosten. Hier spielt die Materialwahl eine ganz entscheidende Rolle. Die Reinigung beispielsweise von Feinsteinzeug beim Boden- und Wandbelag ist auf Grund innovativer Oberflächenveredelungen übers Jahr gerechnet weniger aufwändig – und damit kostengünstiger für den Betreiber. Darüber hinaus wird durch die entsprechende Materialwahl zugleich die Menge an chemikalienhaltigen Reinigungsmitteln reduziert, was der Umwelt zu Gute kommt. Grundsätzlich vertreten wir hier stets die Meinung, langlebige und robuste Materialien einzusetzen, um den Werterhalt des Gebäudes zu steigern.
„Hinter jeder gestalterischen Entscheidung steht ein Thema, das die ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit berührt.“
2. Wie beeinflusst der Darstellungsdrang des Bauherren – und zwar sowohl im Privat- wie im Objektbau – die Planung und Realisierung ökologisch und nachhaltig „vernünftiger“ Bauwerke? Schließen sich nach Ihrer Einschätzung nachhaltiges Bauen und Luxus aus – oder, falls nicht: Welche Produkte oder Produkt-Gattungen könnten hier vermitteln?
Nachhaltigkeit mit Verzicht gleichzusetzen ist aus meiner Sicht ein völlig falscher Ansatz, es geht vielmehr um eine zukunftsorientierte Denkweise. Das Nachhaltige Bauen kann Impulse liefern, um den architektonischen Gestaltungsspielraum zu bereichern und wieder stärker mit gesellschaftlichen Themen zu verknüpfen.
So schließen sich Nachhaltiges Bauen und Luxus im Sinne von guter Gestaltung für mich keineswegs aus. Es stehen so viele gute Produkte zur Verfügung, die eine niedrige CO2-Bilanz haben, langlebig und recyclingfähig sind und zugleich die Gestaltungsanforderungen von Architekten und Bauherren erfüllen. Auch an dieser Stelle kommt das Thema der Lebenszykluskosten zum Tragen: Ein qualitativ hochwertigeres Produkt kann durch eine lange Lebensdauer und geringere Instandhaltungskosten am Ende kostengünstiger sein. Hier sehe ich uns Architekten in der Pflicht, Bauherren für diese Themen zu sensibilisieren und Überzeugungsarbeit zu leisten.
Und um konkret zu werden: Der Werkstoff Holz ist eines der zeitlosesten Materialien, die ich kenne. Seit Jahrhunderten wird mit Holz gebaut. Seine natürliche und warme Anmutung verleiht Räumen Atmosphäre – ein Aspekt, der uns bei 4a besonders am Herzen liegt.
Zudem sorgt Holz, egal ob an Boden, Wand oder auch Decke eingesetzt, für ein gesundes Raumklima, ist CO2-neutral und recyclingfähig und eignet sich wunderbar, um die Akustik in Räumen mit schallharten Flächen zu optimieren. Feinsteinzeug und Fliesen zählen ebenfalls zu den von uns bevorzugten Materialien. Das liegt natürlich zum einen an der großen Anzahl an Bäderprojekten, aber auch das kreative Potenzial in punkto Format, Farbe und Haptik überzeugt uns immer wieder. Und mit Glas, vor allem farbig eingesetzt, lassen sich tolle Effekte erzielen.
„Das kreative Potenzial der keramischen Fliese in punkto Format, Farbe und Haptik überzeugt uns immer wieder.“
3. Im Mietwohnungsbau wird seitens der Bauherren häufig mit höherer Abnutzung und dadurch bedingt früherer Erneuerung argumentiert – und möglichst preiswerte Produkte eingesetzt, die nach vergleichsweise kurzer Lebensdauer als Sondermüll entsorgt werden. Wäre nicht der umgekehrte Ansatz – also belastbare, lange haltbare Materialien – sowohl nachhaltiger als auch auf längere Sicht sogar „wirtschaftlicher“?
Wie bereits erwähnt, steigern in der Regel qualitativ hochwertige Materialien, Bauteile und technische Anlagen durch geringeren Instandhaltungsaufwand den Werterhalt und erhöhen damit die Langlebigkeit eines Gebäudes mitsamt Interieur. Somit befürworten wir in jedem Fall Materialien, die haltbarer sind. Ebenso bedeutend ist es, recyclinggerechte Konstruktionen unter Berücksichtigung intelligenter Materialkreisläufe für die letzte Lebensphase eines Gebäudes zu entwickeln – d.h. bereits in der Planungsphase eine weitere Nutzung der Ressourcen zu berücksichtigen und zu ermöglichen.
4. Das Prinzip des „Cradle to Cradle“, ein konsequenter Kreislauf von der Rohstoffgewinnung bis zur umweltfreundlichen Wiederverwertung schont natürliche Ressourcen. In der keramischen Industrie wird das Prinzip schon erfolgreich eingesetzt, da viele der mineralischen Rohstoffe recycelt werden können. Ist das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ein Entscheidungskriterium? Unter welchen Voraussetzungen könnten solche Produkte für Sie alternativlos sein?
„Cradle to Cradle“ umfasst ja deutlich mehr als das reine Recycling. Dahinter steht ein umfassendes Design-Konzept, das ebenso die CO2-Bilanz berücksichtigt, gesundheits- und umweltschädliche Substanzen ausweist – und bis hin zu Fragen der sozialen Fairness reicht. Wir begrüßen das Prinzip der Kreislaufwirtschaft auf jeden Fall. Zugleich müssen wir die Kosten im Blick behalten. Wenn die stimmen – was die Lebenszyklus-Analyse spiegelt – ziehen wir als Architekten auf jeden Fall mit.
„Lokale Produkte sind allein aufgrund der guten CO2-Bilanz dank kurzer Transportwege zu begrüßen.“
5. Welche Materialien sehen Sie „Aufwind“, um im Bereich der Bodenbeläge die Anforderungen „ökologische Verträglichkeit“, „Wohngesundheit“ und „zeitloses Design“ unter einen Hut zu bringen? Und welchen Stellenwert hat dabei die keramische Fliese? Da unser Schwerpunkt im Bäderbau liegt, ist die keramische Fliese in punkto Bodenbelag im Grunde selbsterklärend. Unabhängig davon bevorzugen wir in unseren Projekten robuste, langlebige und zeitlose Materialien, die eine hohe Gestaltungsqualität haben und vielseitig einsetzbar sind. Vor diesem Hintergrund hat die keramische Fliesen enorm viel zu bieten. Das zeigt nicht zuletzt ein Blick auf unsere ersten Bäderprojekte, die auch nach vielen
Jahren im Betrieb nach wie vor sehr gut dastehen. Auch Holz hat hier an der richtigen Stelle eingesetzt enorm viel zu bieten. Im Wohnbereich gibt es in punkto Behaglichkeit aus meiner Sicht keinen überzeugenderen Bodenbelag. Letztlich ist entscheidend, die Materialien gut auf die Funktion abzustimmen und die gewünschte Atmosphäre im Blick zu behalten. Auch in Schulen oder in Verwaltungsgebäuden gibt es Bereiche, in denen keramische Fliesen geeignet sind z.B. in Flurebereichen oder der Mensa. Büroräume oder Klassenzimmern hingegen haben ganz andere Anforderungen in punkto Akustik, sodass hier andere Beläge sinnvoll sind.
6. In vielen Bereichen setzen sich im Sinne der Nachhaltigkeit Produkte aus lokaler bzw. regionaler Erzeugung durch. Wie beurteilen Sie diesen Trend für den Baubereich – Stichwort Bauprodukte „made in Germany“?
Grundsätzlich sind lokale Produkte allein aufgrund der guten CO2-Bilanz durch kurze Transportwege zu begrüßen. Auch stärkt es natürlich den Standort Deutschland. Doch eine pauschale Antwort gibt hier wenig Sinn. Denken Sie doch beispielweise an die Verwendung von Stahl. Die Produktion wurde aus ökonomischen Gründen verlagert, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Vor allem Firmen mit einem hohen Automatisierungsgrad haben die Möglichkeit, weiter in Deutschland zu produzieren oder aber Unternehmen, die sehr individualisierte Produkte anbieten wie sie in Manufakturarbeit hergestellt werden.
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