Trittsicherheit von Bodenfliesen

Rutschhemmende Fliesen: Allgemeine Anforderungen, Prüfmethoden und Tipps zur Auswahl

Im folgenden Ratgeberbeitrag finden Sie allgemeine Informationen zu den Anforderungen an rutschhemmende Bodenbeläge. 
Als Bauherr oder Sanierer, aber auch als Architekt oder Bauplaner finden Sie bezüglich rutschhemmender Fliesen Antworten auf die folgenden Fragen:

  • Welche Anforderungen gelten bezüglich der rutschhemmenden Eigenschaften von Bodenbelägen?
  • Welche Trittsicherheitsklassen sind im privaten oder gewerblichen Einsatzbereich vorgeschrieben?
  • Was ist bei der Auswahl rutschhemmender Bodenfliesen zu beachten?
  • Welche Prüfmethoden zur Klassifizierung der Trittsicherheit von Bodenfliesen entsprechen der europäischen Prüfnorm DIN EN 16165?

Hohes Unfallgeschehen bei Sturz-, Rutsch- und Stolperunfällen

Sturz-, Rutsch- und Stolperunfälle (kurz: SRS-Unfälle) machen mit über 20 % den größten Teil der Arbeitsunfälle in Deutschland aus und stehen auch bezüglich privater Unfälle auf Platz eins der Unfallstatistiken.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) zählt jedes Jahr gut 180.000 solcher SRS-Unfälle mit Schäden in dreistelliger Millionenhöhe.

Weshalb entscheidet die Auswahl des Bodenbelags über Stand- und Gehsicherheit von Bodenflächen?

Das Unfallgeschehen ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie z.B.

  • dem Schuhwerk und der Gehsicherheit der Person,
  • der Oberflächenbeschaffenheit des Bodenbelags, eventuellen gleitfördernden Mittel (wie z.B. Wasser oder Öl),
  • Feuchtigkeit oder organische Verschmutzungen (z.B. Biofilm auf der Terrasse) auf der Fußboden-Oberfläche.

Bei der Vermeidung von Rutschunfällen spielt die Beschaffenheit des Bodenbelags eine wichtige Rolle. Denn in allen Wohn- und Arbeitsbereichen, in denen es zu Unfällen durch Ausrutschen kommen kann, ist ein rutschhemmendes Belagsmaterial die wesentliche Maßnahme zur Unfallprävention.

Bodenfliesen gewährleisten umfassende Trittsicherheit

Die rutschhemmenden Eigenschaften eines Bodenbelags bestimmen den Grad seiner Stand- und Gehsicherheit.

Keramische Fliesen können – anders als andere Bodenbeläge – jegliche Anforderung an die Rutschhemmung erfüllen und sind in sämtlichen Rutschhemmungs-Gruppen erhältlich, die in aufwendigen Testverfahren verifiziert werden.

Die Rutschhemmungs-Gruppen R9 bis R13 (mit und ohne Verdrängungsraum) gelten hierbei für Bereiche, die gewöhnlich mit Schuhen betreten werden.

Die Trittsicherheits-Gruppen A bis C gelten für den sogenannten „nassbelasteten Barfußbereich“ – zum Beispiel in öffentlichen Schwimmbädern.

Anforderungen an die rutschhemmenden Eigenschaften von Bodenbelägen in verschiedenen Einsatzbereichen

Was müssen private Bauherren bei der Auswahl trittsicherer Bodenfliesen beachten?

Für private Haushalte gelten grundsätzlich keine konkreten Vorschriften zur rutschhemmenden beziehungsweise trittsicheren Gestaltung von Bodenflächen. Um jedoch in Bereichen mit erhöhter Rutschgefahr gefährliches Ausrutschen zu vermeiden oder der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, ist es auch für private Bauherren ratsam, sich bei der Auswahl des Bodenbelages an den Vorgaben für gewerbliche Bereiche oder sogenannte nassbelastete Bodenbeläge zu orientieren.

Foto: Agrob Buchtal

Welche Bodenfliesen beziehungsweise welche Rutschhemmungsklasse sollten Bauherren für die begehbare Dusche wählen?

Auf der Standfläche der Dusche ist der Einsatz von rutschhemmenden Fliesen der Klasse B zu empfehlen.

Welche Rutschhemmungsklasse ist bei Terrassenfliesen zu empfehlen?

Outdoorfliesen sind in der Regel in der Trittsicherheitsklasse R 10 erhältlich und sollten außerdem seitens des Herstellers als frostbeständig deklariert sein.

Was bedeuten die seitens der Hersteller angegebenen Rutschhemmungsklassen?

Bodenfliesen sind seitens des Herstellers mit den Klassen für den gewerblichen Bereich klassifiziert in die sogenannten „R-Gruppen“. Dabei ist die Klasse R9 die niedrigste Gruppe; der Grad der Rutschhemmung steigt an bis zur höchsten Gruppe R13. 
Für Nass- bzw. Barfußbereiche wird der Grad der Rutschhemmung in den Gruppen A bis C gekennzeichnet.

Unser Tipp an Bauherren und Sanierer zur Auswahl von rutschhemmenden Fliesen:

Informieren Sie sich auf den Webseiten der Fliesenhersteller beziehungsweise im Fliesenfachhandel zur Auswahl der richtigen Rutschhemmungsklasse ihrer Fliesen – oder lassen Sie sich durch Ihren Fliesenleger beraten. 
Zu beachten ist, dass Fliesen mit zu hoher Rutschhemmung zu Stolperunfällen führen können und durch die raue Oberflächenstruktur schwieriger zu reinigen sind.

Viele Feinsteinzeug-Bodenfliesen sind heute mit sogenannten „veredelten“ Oberflächen erhältlich, die trittsicher und zugleich reinigungsfreundlich sind.

Im Sortiment deutscher Fliesenhersteller finden sich zahlreiche Bodenfliesen-Serien, die – in identischer Oberflächenanmutung – in unterschiedlichen Rutschhemmungs-Klassen erhältlich sind.
So lassen sich architektonisch ansprechende, optisch einheitliche, schwellenlose Bodenflächen gestalten – und zugleich lassen sich im Bad, dem Flur- oder Eingangsbereich sowie auf der Terrasse Fliesen in der jeweils empfohlenen Rutschhemmungs-Klasse einsetzen.

Trittsicherheits-Anforderungen für Arbeitsräume, gewerbliche und öffentliche Bereiche

Für Arbeitsräume, gewerbliche und öffentliche Bereiche gibt es klare Vorgaben, die Bauplaner und Architekten beziehungsweise Bauherren oder Betreiber zu beachten haben.

1. Nutzung üblicherweise mit Schuhen

Für Arbeitsstätten, also Arbeitsräume, die von Arbeitnehmern mit Schuhen begangen werden, sind die Anforderungen an Bodenbeläge in der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A1.5 „Fußböden“ geregelt. Die Anforderungen werden in R-Gruppen (R9 bis R13) angegeben, wobei die Gruppe R9 die niedrigsten Anforderungen erfüllt und R13 die höchsten.

Bei besonders großem Anfall von rutschfördernden Mitteln (z.B. Öl, Staub usw.) bedarf der Bodenbelag außerdem eines Verdrängungsraumes, angegeben in den Klassen V4, V6, V8 und V10, der die rutschfördernden Mittel aufnimmt und somit die Rutschfestigkeit weiterhin gewährleistet.

Für welchen Anwendungsbereich welche R-Gruppe bzw. welcher Verdrängungsraum benötigt werden, finden sich Beispiele in der Arbeitsstättenrichtlinie (ASR A 1.5 im Anhang 2).

2. Nutzung barfuß – Nassbelastete Barfußbereiche

Für nassbelastete Barfußbereiche, in denen Personen üblicherweise barfuß gehen, wie z.B. in Schwimmbädern und Duschräumen, geben die Bestimmungen in der DGUV Information 207-006 Vorgaben und nützliche Hinweise. Die Anforderungen werden in A,B,C -Bewertungsgruppen angegeben, wobei die Gruppe A die niedrigsten Anforderungen erfüllt und C die höchsten.

Für welchen Anwendungsbereich welche Bewertungsgruppe benötigt wird, finden Sie sowohl in der DGUV 207-006 als auch hier beispielhaft aufgeführt.

3. Nutzung mit Schuhen und barfuß – was gilt: ASR A1.5 oder DGUV 207-006?

Diese Frage stellt sich dann, wenn nassbelastete Anwendungsbereiche sowohl mit Schuhen als auch barfuß begangen werden. Dies ist z. B. in Duschräumen und Schwimmbädern der Fall, die vom Reinigungs- und Badepersonal mit Arbeitsschuhen und von den Badegästen barfuß betreten werden.

Die ASR A1.5 wollte in der Neufassung vom März 2022 erstmals eine Antwort auf diese Frage geben. Die Regelung ist jedoch verunglückt und kann missverstanden werden. Tatsächlich sind – so ist es gewollt – die Anforderungen davon abhängig, ob der Anwendungsbereich üblicherweise mit Schuhen und/oder barfuß begangen wird. Wird der Anwendungsbereich:

  • nur mit Schuhen begangen gelten nur die Bestimmungen der ASR A1.5,
  • nur barfuß begangen gelten nur die Bestimmungen der DGUV 207-006,
  • sowohl mit Schuhen als auch barfuß begangen gelten die Bestimmungen von ASR A1.5
  • und DGUV 207-006.

Mehr können Sie dazu erfahren unter: DGUV.de / FAQ Fußböden

4. Gefahrenbeurteilung

In jedem Fall ist vorab zwingend eine Gefahrenbeurteilung durchzuführen und zu dokumentieren. Die ASR A1.5, die DGUV 2007-006 und die DGUV-Information 208-041 geben dabei wertvolle Hilfestellung.

Foto: Agrob Buchtal

In bestimmten Situationen erfordert das Gefahrenpotential den Einsatz von Bodenbelägen mit höherer Rutschhemmung als in den vorgenannten Regelwerken empfohlen, bzw. mit Verdrängungsraum.

Rutschhemmungsklassen von Bodenbelägen:
 Prüfmethoden entsprechend der europäischen Prüfnorm DIN EN 16165

Welche rutschhemmende Eigenschaft bzw. welche Bewertungsgruppe ein Fußbodenbelag erreicht, wird nach einheitlichen Prüfverfahren ermittelt. Seit Dezember 2021 sind diese in der europaweit geltenden DIN EN 16165 geregelt, welche vier Verfahren zur Messung der Rutschhemmung von Fußböden beschreibt, nämlich

  • Anhang A: die „Schiefe Ebene“, barfuß,
  • Anhang B: die „Schiefe Ebene“, beschuht,
  • Anhang C: das Pendel,
  • Anhang D: das Tribometer.

Die Verfahren in den Anhängen A, B und C sind den DIN Normen 51097, 51130 und 51131 entnommen. Diese Normen waren bisher die maßgeblichen Prüfnormen in Deutschland. Sie wurden zurückgezogen und durch die DIN EN 16165 ersetzt.

Mit dem Prüfverfahren im Anhang B („Schiefe Ebene“, beschuht) werden die R-Gruppen nach ASR A1.5 ermittelt.

Mit dem Prüfverfahren im Anhang A („Schiefe Ebene“, barfuß) die A, B, C-Gruppen für nassbelastete Barfußbereiche (DGUV 207-006).

Das Prüfverfahren im Anhang D (Tribometer wie z.B. das „GMG“) kann zur Bewertung der Rutschgefahr vor Ort eingesetzt werden (siehe dazu DGUV Information 208-041);

das Prüfverfahren in Anhang C (Pendel) wird in einigen europäischen Mitgliedstaaten eingesetzt.

Ein direkter Vergleich der Messergebnisse der verschiedenen Prüfverfahren ist nicht möglich.

Messergebnisse/ Prüfzeugnisse zur Festlegung der Trittsicherheitsklassen von Bodenbelägen nach alten Normen und neuer Norm

Obwohl sämtliche in der DIN EN 16165 (neue Norm) beschriebene Messverfahren überarbeitet wurden, sind nach Erkenntnissen der DGUV die Prüfergebnisse nach DIN EN 16165 (Anhang A, B und D) mit den Messergebnissen der Vorgängernormen DIN 51097, 51130 und 5 1131 gleichwertig. Nach Auffassung der DGUV besteht daher kein Bedarf, nach alter Norm geprüfte Bodenbeläge erneut zu prüfen. Lediglich in Zweifelsfällen und Grenzbereichen könnte eine erneute Prüfung sinnvoll sein.
Siehe dazu auch die FAQ der DGUV.

Testmethode „Schiefe Ebene, beschuht“

Bei dieser Prüfmethode muss eine Prüfperson mit besonderen Prüfschuhen auf einer „schiefen Ebene“ stehen und gehen. Die Fläche wird Öl benetzt, um das Messverfahren sensibler zu machen. Von der Waagerechten ausgehend, wird der Prüfbelag stufenweise geneigt (schiefe Ebene), bis die Prüfperson beim Begehen unsicher wird. Je größer der Neigungswinkel der zu testenden Fläche ist, desto höher ist die R-Gruppe.

Bewertungsgruppe Neigungswinkel
R 9 >6°-10°
Geringer Haftreibwert
R 10 >10°-19°
Normaler Haftreibwert
R 11 >19°-27°
Erhöhter Haftreibwert
R 12 >27°-35°
Großer Haftreibwert
R 13 >35°
Sehr großer Haftreibwert

Testmethode „Schiefe Ebene, barfuß“ (barfuß Nassbereich)

Bei dieser Prüfmethode wird die Rutschsicherheit auf „schiefer Ebene“ ermittelt. Zu diesem Zweck bewegt sich eine Prüfperson barfuß und in aufrechter Haltung vor- und rückwärts auf dem zu prüfenden Bodenbelag, der mit seifenhaltigem Wasser benetzt ist. Von der Waagerechten ausgehend, wird der Prüfbelag stufenweise geneigt (schiefe Ebene), bis die Prüfperson beim Begehen unsicher wird. Je größer der Neigungswinkel der zu testenden Fläche ist, desto höher ist die A, B und C-Bewertungsgruppe.

Fliesen der Bewertungsgruppe A erreichen in diesem Prüfverfahren einen Mindestneigungswinkel von 12°, B entspricht einem Mindestneigungswinkel von 18° und C von 24°.

Bewertungsgruppen der Rutschhemmung nach DGUV 207-006 (früher GUV.85.27)
Bewertungs-Gruppe Mindestneigungswinkel Bereiche
A 12°
  • Barfußgänge und Sanitärbereiche (weitgehend trocken)
  • Einzel- und Sammelumkleideräume
  • Beckenböden in Nichtschwimmerbereichen, wenn im gesamten Bereich die Wassertiefe mehr als 80cm beträgt
  • Sauna- und Ruhebereiche (weitgehend trocken)
B 18°
  • Barfußgänge und Sanitärbereiche, soweit sie nicht A zugeordnet sind
  • Duschräume und Duschbereiche
  • Dampfbäder
  • Bereich von Desinfektionssprühanlagen
  • Beckenumgänge
  • Beckenböden in Nichtschwimmerbereichen, wenn in Teilbereichen die Wassertiefe weniger als 80cm beträgt
  • Beckenböden in Nichtschwimmerbereichen von Wellenbecken
  • Hubböden
  • Planschbecken
  • Leitern und Treppen außerhalb des Beckenbereiches soweit sie nicht C zugeordnet sind
  • begehbare Oberflächen von Sprungplattformen und Sprungbrettanlagen, soweit sie nicht C zugeordnet sind
  • Sauna und Ruhebereiche, soweit sie nicht A zugeordnet sind
C 24°
  • Ins Wasser führende Leitern und Treppen
  • Aufgänge zu Sprunganlagen und Wasserrutschen
  • Oberflächen von Sprungplattformen und Sprungbrettern in der Länge, die für den Springer reserviert sind. (Die rutschfeste Oberfläche der Sprungplattformen und Sprungbretter muss um die Vorderkante herumgeführt werden, wo die Hände und Zehen der Benutzer greifen)
  • Startblöcke
  • Durchschreitebecken
  • Kneippbecken, Tretbecken
  • Geneigte Beckenrandausbildung
  • Rampen im Beckenumgangsbereich mit Neigung > 6%

Beschreibung der Testmethode mittels Tribometer

Das Gleitreib-Messgerät (z.B. GMG 200) wird auf der Testfläche platziert und mit konstanter Geschwindigkeit über den zu bewertenden Bodenbelag gezogen. Dabei misst das Gerät die dafür notwendige Zugkraft, die vom Gleitreibungskoeffizienten des Bodens abhängt. Je höher der Gleitreibungskoeffizient, also der Reibungswiderstand, desto höher die Rutschhemmung.

Hilfreiche Information für die Bewertung der Rutschgefahr unter Betriebsbedingungen“ finden sich außerdem in der DGUV Information 207-006: https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/890

(Illu folgt)

Disclaimer:
Diese Informationen sind mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Sie geben lediglich eine Übersicht zur Thematik und ersetzen nicht die Beurteilung des Einzelfalls und stellen auch keine rechtliche Beratung dar. Für etwaige Folgen und Schäden können wir keine Haftung übernehmen. Konkrete Fragen können z. B. mit der DGUV bzw. Berufsgenossenschaft oder anderen Experten geklärt werden.