19.02.2020 – Der Werkstoff Keramik begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden nicht nur anhand von Gebrauchs-Gegenständen, sondern stets auch als kreatives Ausdrucksmittel unterschiedlicher Kulturkreise. Eine dieser Spiel- und Stilarten sind keramische Mosaike mit geometrischen oder figürlichen Darstellungen. Kunst in dieser oder in anderer Weise bereichert nicht nur unser Leben, sondern wirkt imagebildend und identitätsstiftend, wenn sie in Museen oder öffentlich sichtbar ist. Ein aktuelles Beispiel dafür wurde Mitte Dezember 2019 in Pirmasens eingeweiht. Dort entstand mit der Vogeltreppe auf einer Fläche von rund 60 Quadratmetern das vermutlich größte keramische Mosaik in Rheinland-Pfalz. Konzeptioniert und realisiert wurde das in dieser Form deutschlandweit einmalige Projekt unter der Federführung der international agierenden chilenischen Künstlerin Isidora Paz-López, die seit mehreren Jahren zusammen mit ihrem Mann Chris Lukhaup und Kindern im Raum Pirmasens (Deutschland) lebt.

Diese beiden Nah-Aufnahmen dokumentieren, wie präzise und filigran die Motive aus Flora und Fauna ausgeführt sind. Dank der absoluten Lichtechtheit der Keramikfliesen der Marken Agrob Buchtal und Villeroy & Boch ist die Brillanz der Mosaikbilder dauerhaft gewährleistet. Foto: Chris Lukhaup

Kunst und Keramik

Die technische Grundlage des außergewöhnlichen Werkes bilden Keramikfliesen von zwei führenden deutschen Marken, die das Ganze per Materialsponsoring unterstützt haben: Für das vor Ort erstellte großflächige Wandbild setzte wurden Produkte von Agrob Buchtal (Serie ChromaPlural) und Villeroy & Boch Fliesen (Serie Pro Architectura) eingesetzt, da diese in Bezug auf Nuancenvielfalt und Anmutung den Vorstellungen der Künstlerin am besten entsprachen. Diese Aspekte sind insofern relevant, weil das Kunstwerk aus prächtigen farbenfrohen Motiven aus Flora und Fauna, also der Pflanzen- und Tierwelt besteht: Letzteres in Form von heimischen, internationalen oder mittlerweile nicht mehr existierenden Vogelarten, um so subtil auf deren Aussterben durch Klima- oder Umweltveränderungen aufmerksam zu machen. In Pirmasens kommt ein wesentlicher Vorteil von Keramik voll zum Tragen: Dank absoluter Lichtechtheit sind selbst bei intensiver Sonneneinstrahlung Ausbleichungen oder andere unerwünschte optische Veränderungen kein Thema, so dass dauerhaft Farbtreue gewährleistet ist. Das Ergebnis beeindruckt nicht nur visuell, sondern auch durch die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte: Unterstützt wurde Isidora Paz-López durch freiwillige Helfer/innen, Mitglieder von DOMO e.V. (Deutsche Organisation für Mosaikkunst) und befreundete Künstler/innen: Jene, die nicht vor Ort im temporären „gläsernen Atelier“ im Rheinberger-Komplex (einst mit rund 2500 Personen zeitweise größte Schuhfabrik Deutschlands, heute umgewandelt in einen Gewerbepark) mitwirken konnten, schickten Ihre Beiträge per Post. Auf diese Weise entstanden unentgeltlich rund 170 Vogelmotive aus über 20 Ländern wie z.B. Argentinien, Aruba, Belgien, Brasilien, Chile, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien, Niederlande, Polen, Rumänien, Schottland, Schweiz, Serbien, Südafrika, Türkei, VAE, USA oder Wales, die dann von Isidora Paz-López gekonnt zu einer stimmigen Gesamtkomposition verwebt wurden. Weitere Kennzahlen dieses eindrucksvollen Gemeinschaftswerks: über 10.000 Arbeitsstunden, rund 60 Quadratmeter Gesamtfläche, knapp 2 Tonnen Totalgewicht – Aspekte, die deutlich machen, dass das Projekt auch logistisch ein Meisterwerk darstellt.

Foto: Chris Lukhaup

Hintergründe und Chronologie

Pirmasens ist wie das alte Rom auf sieben Hügeln erbaut und daher geprägt von Stufen und Steigungen. Außerdem durchziehen die 42.000-Einwohner-Stadt zwei große Felswände von Nord nach Süd. Nach amtlichen Informationen gibt es über 3.000 Stufen und knapp 140 Treppenanlagen.

Der Kontakt zu Isidora Paz-Lopez entstand bereits 2016 über eine Mitarbeiterin des Stadtmarketings. Schnell stand die Überlegung im Raum, ihre hochwertige und farbenfrohe Mosaikkunst für Pirmasens zu nutzen, um eher triste Ecken der Stadt attraktiver zu gestalten – zum Beispiel die stark frequentierte frühere Felsen- und jetzige Vogeltreppe, die über exakt 131 Stufen die Schäfer- mit der Bahnhofstraße verbindet. Im Herbst 2018 betraute die Stadtverwaltung dann den Hauptausschuss bzw. Isidora Paz-López mit der künstlerischen Umsetzung der ursprünglichen Roh-Idee. Parallel zur Anfertigung der Mosaikflächen wurde von Sommer bis Herbst 2019 für rund 200.000 Euro eine ohnehin fällige Sanierung (Betonsubstanz, Geländer, Beleuchtung) der Treppenanlage vorgenommen. Danach erfolgte die Verlegung des keramischen Mosaiks und Mitte Dezember 2019 die offizielle Einweihung des Funktionsbauwerks, das nun die Blicke anzieht und das Image der Stadt aufwertet: Rolf Schlicher (Leiter Stadtmarketing) zeigte sich ebenso begeistert wie Oberbürgermeister Markus Zwick, der von einem außergewöhnlichen Hingucker im urbanen Stadtbild sprach. Neben dem Materialsponsoring durch Agrob Buchtal und Villeroy & Boch Fliesen wurden die darüber hinaus gehenden Kosten in Höhe von rund 50.000 Euro gedeckt durch eine großzügige Zuwendung der örtlichen Liselott-und-Klaus-Rheinberger-Stiftung (siehe vorherigen Hinweis zum Rheinberger-Komplex).

Die Künstlerin Isidora Paz-López (links, zusammen mit drei Team-Mitgliedern aus Chile) koordinierte auch die Verlegung des Mosaiks und ist zurecht stolz auf das beeindruckende End-Ergebnis. Foto: Chris Lukhaup

Künstlerin und Oeuvre

Isidora Paz-López wurde 1976 in Chile geboren und entdeckte schon sehr früh Ihre künstlerische Ader und Ihre Liebe zur Keramik. Ihr Ouevre umfasst verschiedene Mosaik-Kunstprojekte im öffentlichen Raum, z.B. in Aruba, Stuttgart oder ihrem Heimatland Chile: Dort gestaltete sie zum Beispiel in Puente Alto (eine große Kommune im Süden der Hauptstadt Santiago de Chile) mit einem internationalen 60-Personen-Team das vorher ziemlich schmucklose Rathaus und mit einem internationalen 100-Personen-Team mehrere U-Bahn-Stationen, die eine schier unglaublichen Gesamtfläche von rund 4.000 Quadratmetern umfassen.