Großformate und die neuen Megaformate sind imposante Stars der aktuellen Fliesenkollektionen. Der Fliesenleger kann mit ihnen eine hochwertige Badgestaltung für anspruchsvolle, zahlungskräftige Zielgruppen anbieten. kR sprach mit Fliesenlegermeister Titus Wolkober über Verkaufsargumente für XXL-Fliesen und die Positionierung der Megaformat-Fliese gegen die Materialkonkurrenz.

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Was ändert sich durch die neuen Megaformate für die Wand- und Bodengestaltung?

Wer heute Planungen von Wohnungen oder Bädern betrachtet, stellt fest, dass die Gestaltung in „Flächen“ und „Baukörper“ erfolgt. In Bad oder Küche werden die Fliesenbeläge zu einer Fläche, bei der die Farbe, das Dekor sowie die Materialanmutung der Oberfläche eine stilistische Gesamtheit darstellt. Diese Fläche muss zur Einrichtung, dem Baustil und dem Wunsch des Kunden passen – und sich in die Gesamtplanung einfügen. Fugen tauchen dabei nicht auf. Weder in der gedanklichen Vorstellung eines modernen Beton- oder Estrichbodens, noch bei einer Natursteingestaltung oder keramischen Holzoptiken.

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Demnach sind am Boden generell keine „Fugenraster“ mehr erwünscht?

Nun, es gibt wenige Ausnahmen. Die südländische Bodengestaltung mit Cotto-Fliesen oder rustikalen Optiken im Landhausstil mit gebrochenen Fliesenkanten oder mediterranem Farbmix kennt noch die Fuge als Gestaltungselement. Doch selbst hier sind heute deutlich großformatigere Fliesen gefragt. Ansonsten gestalten wir mit geschlossenen, einheitlich wirkenden Flächen. In dieser Sichtweise sollte Kunden auch eine Fugenfarbe vorgeschlagen werden, die Ton-in-Ton gehalten ist.

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Welche gestalterischen Vorzüge bringt dieser homogene Flächeneffekt?

Die Wirkung, die großformatige Bodenfliesen erzielen können, ist unter anderem Ruhe. Fugen, wie sie durch klassische Verlegemuster entstehen oder sonstige Unterteilungen wie Schienen oder Schwellen sowie kleinteilige Zuschnitte sind alles Blickpunkte im Belag, die ihn im wahrsten Sinne des Wortes zerteilen und zerschneiden. Großformate wie die echten „XXL“- Fliesen, die Megaformate, erzielen genau diese Wirkung: sie erden den Raum und liefern der Einrichtung eine zeitlose Basis, ganz unabhängig vom präferierten Stil und persönlichem Geschmack.

Was hat sich gestalterisch durch Groß- und Megaformate gewandelt?

In der Praxis hat sich ein großer Gestaltungsirrtum eingebürgert: Die „halbhohe“ Fliesenverlegung im Bad. Oder Wandflächen im WC, wo häufig Fliesen nur bis zur Oberkante der Spülkästen-Vormauerung auf 120cm-Höhe verlegt werden – was dann gewissermaßen als Höhenmaß für die anderen Wandflächen dient. Architektonisch betrachtet spricht alles dafür, eine Wand „in einem Stück“ zu sehen – und sie nicht in verschiedene Einzelflächen zu zerstückeln. Mit Großformaten in ihrer Designvielfalt können attraktive Wandflächen mit Fliesen gestaltet werden.

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Verliert die Fliese denn nicht ihren eigenständigen Charakter, wenn das Spiel mit Formaten oder Verlegemustern wegfällt?

Nein, denn das Oberflächendesign, zum Beispiel in Form von dreidimensionalen Strukturen oder lebendigen Farbverläufen, wirkt sinnlich und wohnlich. Wer keine langweilige Fläche möchte, kann zu einer schönen Farbe greifen – oder ganz Mutige zu Dekorfliesen in XXL. Auch Wand/Boden-Konzepte sind architektonisch ansprechend. Als wichtige Regel bleibt: Immer erfolgt die Gestaltung der gesamten Wandfläche mit dem gleichen Material. Wer an einer Wand besondere Akzente setzen möchten, kann mit Materialergänzungen wie Naturstein oder Glasplatten arbeiten.

Was ändert sich in puncto Reinigung und Pflege bei XXL-Fliesen im Bad?

Am deutlichsten zeigt sich der Vorteil im Duschbereich: Das Wasser läuft ohne „bremsende“ Fugen ab, die Reinigung kann wie bei einer Glasscheibe mit einem Abzieher erfolgen. Man braucht keine Rücksicht auf zementhaltige und damit säureempfindliche Fugen nehmen. Ganz abgesehen von einer sehr viel geringeren Verschmutzung, da die rauen Fugen alle Seifenrückstände und Kalkrückstände geradezu anziehen.

Was bedeutet das Verschwinden der Fugen für den Fliesenleger?

Technisch verlangen Fugen von uns immer besondere Überlegungen. Angefangen von Größe und Auswahl des richtigen Fugenmaterials, Pflege und Verfärbung im Laufe der Zeit bis zur Gefahr von Rissen und Ausbrüchen. Eine Fläche mit möglichst wenig Fugen – oder gar überhaupt ohne Fuge – bringt in allen Belangen der Reinigung, der Sicherheit und Beständigkeit sowie der handwerklichen Ausführung nur Vorteile.

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Kann sich der qualifizierte Fachverleger mit Megaformaten vom Pfuscher abgrenzen?

Wenn Fliesenleger früher von einer Meisterarbeit sprachen, war damit die Kunst von Zuschnitten und Fugenausbildungen im Belag gemeint. Heute gilt es als Meisterleistung, eine Megaformatfliese in einem Bad zu verlegen. Es braucht unbedingt ein „mehr“ an Können, um Fliesen die oft 300 x 150 cm und mehr an Kantenlängen zeigen, zuzuschneiden, zu bearbeiten, an Rand und Kanten zu polieren und vor allem zu verlegen.

Demnach ist die Erfahrung des Fliesenlegers mit Megaformaten ein wichtiges Argument für den Endkunden?

Ja, unbedingt. Ohne Erfahrung und entsprechende Fertigkeiten ist die Verlegung solcher Fliesen technisch und wirtschaftlich risikoreich. Für Verleger und Kunden. Durch Erfahrung lernt man einzuschätzen, welche Ausschnitte bei Megaformatfliesen möglich sind. Kann eine Nische aus dem Material geschnitten werden? Können Eckausschnitte am Boden hergestellt werden? Mit welchem System stelle ich Zuschnitte her – per Wasserstrahl bei einem Konfektionierer oder händisch auf der Baustelle? Und nicht nur das passende Werkzeug ist gefragt, sondern auch das richtige Händchen!

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Stellen Großformate höhere Anforderungen an die Vorbereitung des Untergrunds?

Der Fliesenlegermeister erörtert schon im Vorfeld mit dem Bauherren, welche Estrichqualität in puncto Ebenheit, Stabilität und Oberfläche notwendig ist. Auch die Frage, ob das Material auf einen alten Fliesenbelag aufgebracht werden kann, stellt sich insbesondere im Bereich der Sanierung häufig und kann nur vom Profi zuverlässig beantwortet werden.

Stichwort höhere Verlegekosten: Hilft eine gute Planung, den Kostenrahmen einzuhalten?

Als Fachmann für Megaformat-Fliesen sollte man auch die Arbeitsvorbereitung beherrschen, die vor der Verlegung notwendig ist. Eine Fliese mehr oder weniger bedeutet nicht selten 3 m2 mehr oder weniger – mit Kosten von circa 300,- € pro Fliese. XXL- Formate erfordern einen Verlegeplan mit genauen Zuschnitten und der Fliesenaufteilung. Eine Pi-mal-Daumen-Planung kostet Geld und im Zweifel bei zu wenig bestellter Menge auch die Schönheit der Flächen, wenn bei einer solchen Misere die gleiche Brandfarbe nicht mehr lieferbar ist.

Was ist bei XXL-Fliesen verlegetech- nisch zu berücksichtigen, um eine besonders hochwertige Anmutung zu erzielen?

Die Verlegung eines hochwertigen Materials stellt auch einen hohen Anspruch an die Ausführung. Bei Megaformaten unterscheidet meines Erachtens eine perfekte Kantenausbildung die Pflicht von der Kür: Am besten auf Gehrung geschnitten und verklebt, bildet eine perfekte Silikonfuge den Abschluss am Übergang zur angrenzenden Wand – möglichst mit Silberionen- Technologie für schimmelfreien Genuss.

Titus Wolkober ist Fliesenlegermeister und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Fliesenlegerhandwerk.

Sind Groß- und Megaformat-Fliesen die Zukunft der hochwertigen Badgestaltung?

Ja, auf jeden Fall. Megaformatfliesen sind wunderschön, bieten die Grundlage einer ansprechenden Gestaltung und spielen bei Beständigkeit sowie Reinigung die traditionellen Vorzüge der Keramik aus.

Aber sie bilden nur dann die Spitze der Fliesenwelt, wenn Verlegung und Beratung auf gleich hochwertigem Niveau erfolgen, wie es das wertvolle Material vorgibt. Davon abgesehen sollte jeder Meister seines Faches eine saubere und geplante Baustelle sowie einen Ablauf sicherstellen, bei dem vor dem Beginn bereits klar ist, wann das Bad wieder benützt werden kann. All dies spart Nerven, Geld und Kompromisse – den Kunden und sich selbst.

FUGENLOSE BADGESTALTUNG

Positionierung der Megaformat-Fliese gegen die Materialkonkurrenz

Im „fugenlosen“ Bad konkurrieren u. a. Alu-Dibond-Platten, Mineralguss- oder Mineralgemischplatten, HPL-Materialien oder Kompakt-HPL-Platten, Kunststoffmaterial als Platte, Scheibe oder Fläche, Vinyl als Fliesenersatz oder sonstige Flächengestaltungen wie gespachtelte Kalkpresstechniken oder Zementoberflächen mit Groß- und Megaformatfliesen.

Keines der genannten Materialien, die eine fugenlose Gestaltung und Verlegung versprechen, verfügt allerdings über eine Oberflächenfunktionalität, die sich mit Keramik messen könnte.

1) Reinigung und Belastbarkeit
Die dicht geschlossene keramische Oberfläche ist über Jahrzehnte feuchtigkeitsbeständig, fleck- und kratzunempfindlich und unkompliziert zu reinigen. Verschiedene der o. a. Alternativmaterialien sind hingegen nur eingeschränkt beständig, zum Beispiel gegen säurehaltige Putzmittel, die Zement und Kalkspachtelmassen zusetzen. Kunststoffe sind empfindlich gegen Laugen. Verschiedene Materialien sind nur vermindert kratzbeständig und Oberflächen, die Zellulose beinhalten, benötigen einen exakten Feuchtehaushalt vor und hinter den Platten.

2) Langlebigkeit:
Für die meisten Materialien liegt keine Erfahrung vor, wie sie den harten Badalltag auf die Dauer überstehen. Die hohe Luftfeuchtigkeit, Temperaturwechsel, Feuchtigkeit, sowie die Einwirkung von Kosmetika und Reinigungsmitteln setzen vielen der derzeit propagierten Keramik-Alternativen bereits nach wenigen Jahren zu.

3) Wartung und Instandhaltung:
Eine Reparatur ist häufig gar nicht möglich, ob auf Grund abweichender Herstellung (keine gleichbleibenden Prozesse bei der Herstellung und geringere Serienlaufzeiten auf Grund viel kleinerer Stückzahlen), wegen Farbveränderungen durch UV-Belastung des eingebauten Belages oder einer Verklebung mit Kunststoffen (Pu), was einen Ausbau nur mit deutlich erhöhtem Aufwand zulässt.