Die Wahrnehmung der Fliese hat sich im vergangenen Jahrzehnt komplett verändert – weg vom funktionalen Zweckbelag, hin zum hochwertigen Design- und Lifestyleprodukt. Zugleich findet im Wohn- und Einrichtungshandel durch neue, digitale Verkaufshilfen und neue Online-Plattformen ein tiefgreifender Wandel der Verkaufslandschaft statt. Werner Schwobe hat sich als Designer für Innenarchitektur mit der Firma „insiderwerk – Inszenierung im Raum“ auf die Planung und Konzeption moderner Fachhandelsausstellungen spezialisiert. Er erläutert in diesem Interview, was eine designorientierte Fliesenausstellung ausmacht und weshalb der Fachhandel von derartigen Ausstellungskonzepten wirtschaftlich profitieren kann.

„Umso design- orientierter der Fliesenhandel aufgestellt ist, umso höher wird der Druck auf die, die nicht so aufgestellt sind. Mittelfristig zeigt sich dies im wirtschaftlichen Erfolg für den Händler, der seine Ausstellung zu einem Erlebnis macht“.

Werner Schwobe

Copyright: Werner Schwobe

Herr Schwobe, sind Investitionen in eine hochwertige Ausstellungsarchitektur und eine analoge Produktpräsentation im Zeitalter der Digitalisierung überhaupt noch sinnvoll?

Werner Schwobe: Ja – vermutlich sogar: Mehr denn je! Zwar geht der Einzelhandel stark zurück, die Zukunft in diesem Bereich gehört Showrooms, Flagship-Stores und jenen Verkaufsausstellungen, die die Vorzüge des stationären Handels gekonnt mit digitalen Angeboten verbinden. Dem Kunden muss dabei aber deutlich mehr geboten werden als nüchterne Produktinformation und gute Beratung: Ein modernes Ausstellungskonzept sollte Inspirationen zur Raumgestaltung liefern und verschiedenste Bild-, Text- und Grafik-Informationen in eine visuell ansprechende Raumarchitektur integrieren. Mir geht es darum, die Grenzen herkömmlicher Ausstellungskonzepte zu überschreiten und mit dem jeweiligen Auftraggeber eine neue, individuelle Inszenierung zu erarbeiten. Bei erfolgreichen `Concept Stores´ lässt sich dabei eines abschauen: Moderne Ausstellungskonzepte vertragen mehr Bühnenstücke, sprich: eine musealere Produktpräsentation und visuell erzählte Geschichten über Keramik.

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Welche Erwartungen haben denn Endverbraucher, die heute einen Fliesen-Fachhändler besuchen?

Werner Schwobe: Der „normale“ Kunde beschäftigt sich im Schnitt zwei oder drei Mal im Leben mit dem Thema Fliese. Heute trifft er meist gut vorinformiert auf den Fachverkäufer und erwartet eine kompetente, individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Beratung. Wirklich interessieren und begeistern lassen sich Kunden aber nur auf emotionaler Ebene. Aus diesem Grund ist es wichtig, den Besucher im wahrsten Sinne des Wortes visuell „anzusprechen“ und emotional da abzuholen, wo er am empfänglichsten ist. Einem Händler, in dessen Ausstellung der Kunde sich wohl fühlt, spricht der Kunde intuitiv die Kompetenz zu, sein eigenes Zuhause ansprechend zu gestalten. Ein Beispiel: Viele unserer Fachhandelskunden haben die Erfahrung gemacht, dass sich XXL-Formate erst gut verkaufen lassen, wenn sie in einer überzeugenden Anwendung, sprich: in einer Inszenierung im Raum gezeigt werden. Dann stieg der Umsatz für diese Produkte beachtlich.

Was sind bewährte gestalterische Grundelemente einer emotional ansprechenden Ausstellung?

Werner Schwobe: In einer designorientierten Ausstellung verkaufen Sie Erlebnisse, keine Produkte. Neben einem großzügigen Raumerlebnis lieben Kunden es, auf haptische Entdeckungsreise zu gehen, Inspirationen zu sammeln.
So erfordert eine gelungene Ausstellungsarchitektur einerseits einen grafisch perfekten Grundriss, andererseits verschiedene Raumwelten, die ins kleinste Detail durchgestaltet werden. Dabei ist die hohe Kunst, die richtige Dosis zu finden zwischen Rauminszenierung und Produktinformation. Bei der Präsentation einzelner Produkte ist es wichtig, in Stil- und Wohnwelten zu denken, sie in stimmigen Anwendungen zu zeigen sowie ins Raumkonzept zu integrieren. Last but not least transportiert ein Händler sein Know-How in Sachen in Lifestyle auch durch den Einsatz zeitgemäßer Bild- und Grafikelemente sowie moderner Typografie.

Werner Schwobe erarbeitete ein komplett neues Ausstellungskonzept für die Firma „Häcker Fliesen & Naturstein GmbH“ in Stuttgart Weissach. Fotos: Nico Pudimat

Was sind die spezifischen Vorzüge einer Kombination von analoger und digitaler Produktpräsentation aus Sicht des Kunden?

Werner Schwobe: Das liegt auf der Hand: Nur eine analoge Ausstellung bietet dem Kunden die Möglichkeit, Produkte haptisch wahrzunehmen, im Fall der Fliese: die Unterschiede verschiedener Oberflächen zu erspüren. So lässt sich die Vielfältigkeit der Keramik im Wortsinne `begreifen´, die Fliese live erleben, eine Ausstellung erkunden. Ergänzend dazu liefern digitale Tools in Sekundenschnelle maßgeschneiderte Produktinformationen oder eine authentische Visualisierung des Wunschproduktes im Raum – sowie den anschließenden Vergleich mit anderen Produkten. Ob VR-Technik oder interaktive Touch-Screens: Intelligente Visualisierungs-Tools lassen sich vom Kunden intuitiv bedienen und können den häufig quälend langen Auswahlprozess deutlich verkürzen. So sind viele Kunden in der Lage, schnell ihre Wunschoptik herauszuarbeiten und erleben die Produktsuche als effizient und zielorientiert.

Und welche Vorzüge bietet dieser Ansatz dem Fliesen-Fachhandel hinsichtlich der Architektur der eigenen Ausstellung?

Werner Schwobe: Durch die digitale Visualisierung von Fliesen in verschiedenen, realistischen Raumsituationen lassen sich mittel- bzw. langfristig erhebliche Kosten für die laufende Erneuerung von Kojen oder anderen großflächigeren Produktinszenierungen einsparen. Zugleich gewinnt man als Händler dadurch wertvollen Platz. Diese „neu“ gewonnen Flächen lassen sich einerseits für eine designorientierte, großzügige Produktpräsentation nutzen; andererseits zum Beispiel für besondere Inszenierungen – wie zum Beispiel großformatige Video-Präsentationen über Monitore. Und mehr Platz lässt sich im Fachhandel auch nutzen, um das Wohlgefühl des Kunden zu stärken und ihn zu animieren, möglichst lange – im Idealfall bis zum Kauf eines Produktes – in der Ausstellung zu bleiben. Machen Sie es ihren potenziellen Kunden also „angenehm“ – zum Beispiel durch einen Beratungsbereich mit Lounge-Charakter, in der Sie Kaffee anbieten.

Zur Umsetzung: Wie kommt ein Fachhändler, der seine Ausstellung designorientiert gestalten möchte, zu einem passenden Konzept?

Werner Schwobe: Er sollte eine Umgestaltung nutzen, um sich bzw. sein Unternehmen individuell zu präsentieren. In Deutschland wird das Thema Ausstellungskonzepte immer noch häufig rein rational betrachtet – und zwar nicht speziell auf den Fliesenfachhandel bezogen, sondern ganz allgemein.
Bei der eigenen Ausstellung dominieren Vorsicht und Zurückhaltung im Fachhandel; so wird bei der Neugestaltung von Ausstellungsräumen viel zu häufig auf den vermeintlichen Konkurrenten geschaut. Dadurch sehen Fachhandelsausstellung sehr oft ziemlich ähnlich aus – ein Einerlei, das den Endkunden letztlich langweilt. Es gibt keine „Patentrezepte“ für eine Ausstellung, die den Kunden begeistert. Deshalb führt nur der umgekehrte Weg zum Erfolg: Eine individuell auf das jeweilige Unternehmen, die jeweiligen Produkte und die jeweilige „Marktsituation“ vor Ort maßgeschneidert konzipierte Ausstellungsarchitektur.

Die Firma Benz spricht mit dem Ausstellungskonzept „Benz Atelier“  gehobene Käuferschichten und lockt „mit dem Feinschliff des Wohnraumes“. Kunden der von Werner Schwobe konzipierten und im Detail geplanten Ausstellung „erleben“ dort im wahrsten Sinne des Wortes Wohnraumarchitektur mit Fliesen.  Fotos: Werner Schwobe

Sollte ein Fliesen-Fachhändler demnach die Architektur der Ausstellungsräume auch zur Profilierung der eigenen Marke nutzen?

Werner Schwobe: Ja – unbedingt. Denn an ein Fachhandelsunternehmen stellt ein Endverbraucher unbewusst ganz andere Anforderungen als beispielsweise an einen Baumarkt. Mit einer innenarchitektonisch stimmigen und individuell gestalteten Ausstellung kann sich ein Fachhändler ein gleichermaßen modernes wie sympathisches Markenbild verschaffen, das ihn als Partner für den Fliesenkauf empfiehlt. Dabei genügt es nicht, nur ansehnliche Produkte anzubieten. Entscheidend sind eine ansprechende Ästhetik der gesamten Ausstellungsräume, eine prinzipielle Offenheit gegenüber Innovationen sowie last but not least eine hohe Kunden- und Nutzerfreundlichkeit.

Nach Ihrer Erfahrung bringt eine designorientierte Ausstellung dem Fachhandel einen handfesten „Mehrwert“ in Form höherer Umsätze.

Werner Schwobe: Durch die richtige „Raum-Inszenierung“ können Fliesenhändler ihren Kunden ein neues, „wertigeres“ Zuhause mit einem angenehmen Wohnerlebnis vermitteln – und im Idealfall sogar eine neue „Wohnidentität“ entwickeln. In einer gut konzipierten Ausstellung mit Atmosphäre fühlt der Kunde sich wohl; er wird offener, entspannter und kommunikativer. Damit steigt die „Kauflaune“. Aus diesem Grund stellt ein gutes Ausstellungsdesign auch einen deutlichen wirtschaftlichen Vorteil für den Händler dar – denn in dieser Stimmung treffen Kunden ihre Kaufentscheidungen schneller und weniger „kritisch“. Der Fachhändler kann dadurch hochwertige(re) Wand- und Bodenfliesen verkaufen – und zwar in aller Regel ohne lästige Preisdiskussionen.

Auf einen Blick: Fünf Gründe, warum designorientierte Fliesen- und Wohnkeramik-Ausstellungen eine große Chance für den Fachhandel bieten:

  • Design ist mehr als Ästhetik – es ist auch ein Marketing-Instrument

  • Sie verkaufen keine Produkte, sondern ein neues Wohnerlebnis

  • Design gehört zu Ihrer Unternehmensphilosophie

  • Sie schaffen für Ihren Kunden einen „Wow-Effekt“ und bieten ihm eine positive, erfreuliche Erfahrung

Werner Schwobe – Designer für Innenarchitektur
Bahnhofstr.11, Atelier im Südpark, D-42651 Solingen

Tel.: 0049 (0)172-20 52 358
Info@schwobe.com

Leistungsangebot Innenarchitektur:
Beratung Interior Design, Messe- und Ausstellungskonzepte, Ausstellungs- und Lichtplanung für Fliesen-, Naturstein-, Bad-, Küche-, Holz und Baustoffausstellungen; Bad & Küchendesign

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